Gruppe La Française

Energie: potenzieller Game-Changer für 2026

Von François Rimeu, Senior Strategist, Crédit Mutuel Asset Management

Crédit Mutuel Asset Management ist eine Asset-Management-Gesellschaft der Groupe La Française, der Holdinggesellschaft des Asset-Management-Geschäftsbereichs der Credit Mutuel Alliance Fédérale.


Die Energiepreise sind derzeit niedrig – sowohl für ein Barrel Öl als auch für Erdgas. Für Öl ist dies durch ein derzeitiges Überangebot am Markt gerechtfertigt, das laut den jüngsten Prognosen der OPEC[1], der EIA[2] und der IEA[3] bis 2026 bestehen bleiben dürfte. Für Erdgas gilt ähnliches, und für beide Märkte lautet der Hauptgrund gleich: Die Produktion in den USA war 2025 stärker als erwartet. Nicht zu vergessen sind auch die Quotenerhöhungen, die die OPEC+[4] im Laufe des Jahres gewährt hat und die ebenfalls zu einer über den Erwartungen liegenden Ölproduktion zu Jahresbeginn beigetragen haben. Hinzu kommen die jüngsten Fortschritte im Prozess der „Beendigung der Feindseligkeiten” zwischen Russland und der Ukraine, wodurch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass russische Rohstoffe wieder für alle Länder „kaufbar” werden.


Folglich ist der Konsens hinsichtlich der Energiepreise derzeit recht negativ, was mehrere Konsequenzen hat. Erstens stützt dies die Wirtschaftsaussichten für alle Nettoimportländer – also nahezu alle Industrieländer und alle Länder der Eurozone. Zweitens fördert es den anhaltenden Deflationstrend, sowohl durch direkte (beispielsweise macht Energie 10 % der Inflation in der Eurozone aus) als auch durch indirekte Effekte. Drittens hat es erhebliche Auswirkungen auf die Gewinnentwicklung vieler Unternehmen, mit positiven Auswirkungen für Sektoren wie Transport oder Chemie, aber auch negativen Auswirkungen für die Öl- und Gasindustrie.

Dieser Konsens könnte jedoch aus mehreren Gründen in Frage gestellt werden:

  • Offensichtlich nähern wir uns einem Niveau, das die Profitabilität einiger US-Produzenten erheblich beeinträchtigen könnte. Nach den jüngsten Schätzungen der Federal Reserve Bank of Dallas liegt der Preis, bei dem die Produktion nicht mehr rentabel ist, für große Unternehmen bei etwa 61 US-Dollar. Der WTI (West Texas Intermediate; der US-Referenzpreis) notierte zum 16. Dezember unter 56 US-Dollar.
  • Der Russland-Ukraine-Krieg könnte sich hinziehen. Dies würde die derzeitige Dynamik nicht grundlegend verändern, könnte jedoch zu einem Preisanstieg von 5–10 % führen. (Quelle: Bloomberg)
  • Die Anleger sind derzeit sehr pessimistisch. Die Daten der CFTC (Commodity Futures Trading Commission) zeigen derzeit extrem niedrige spekulative Positionen.
  • Die weltweite Konjunkturbelebung, ein schwacher US-Dollar, Rekorddefizite in den USA, das deutsche Konjunkturprogramm und Zinssenkungen durch die US-Notenbank usw. – insgesamt ein Umfeld, das sich positiv auf die Dynamik der Energienachfrage auswirkt und in der Vergangenheit mit Phasen steigender Energiepreise einherging.

[1] Organisation erdölexportierender Länder
[2] Energy Information Administration
[3] Internationale Energieagentur
[4] OPEC-Mitglieder und andere Ölförderländer

  • Der anhaltende Anstieg des Energiebedarfs von Rechenzentren dürfte sich fortsetzen. Dies stellt vermutlich das bedeutendste langfristige Risiko dar, das sich jedoch nicht auf alle Energiequellen gleichermaßen auswirken wird. Die EIA schätzt, dass sich der Strombedarf von Rechenzentren innerhalb von zwei Jahren auf 835 TWh verdoppeln dürfte, was dem Stromverbrauch Japans entspricht. Während erneuerbare Energien in Europa voraussichtlich ausreichen werden, um diesen erhöhten Bedarf zu decken, dürfte dies in den USA schwieriger werden. Dadurch dürften die Erdgaspreise tendenziell steigen, insbesondere wenn es zu Kapazitätsengpässen bei der Produktion kommt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zwar derzeit ein breiter Konsens hinsichtlich der Beibehaltung niedriger Öl- und Erdgaspreise zu bestehen scheint, ein plötzlicher Anstieg des Ölpreises jedoch viele der derzeitigen Gewissheiten untergraben würde: Deflation, Zinssenkungen der Fed, anhaltender Konsum usw. Dies könnte eine erhöhte makroökonomische Instabilität und größere Volatilität an den Finanzmärkten zur Folge haben.


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