Der Euroraum ist eine Wirtschaftsmacht, deren Überleben jedoch davon abhängt, ob ihr eine gemeinsame Wirtschaftspolitik gelingt. Schon seit der Griechenlandkrise 2011-2012 haben die Anleger diese Gleichung verinnerlicht: Wie steht es um den Zusammenhalt im Eurosystem beziehungsweise wie hoch ist das Risiko eines Auseinanderbrechens? Und die Stichfrage lautet: Entpuppt sich Italien als Achillesferse?
Ungewissheit wird von den Märkten nicht goutiert, und die italienische Politik der letzten Tage führte zu heftigen Ausschlägen. So ist die Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen um 98 Basispunkte auf 3,44 % gestiegen, die Mailänder Börse erlitt einen Einbruch um nahezu 6 %, und die italienischen
Banken, die einen bedeutenden Anteil der italienischen Staatsschulden tragen (über 600 Mrd. Euro), schnitten besonders schlecht ab. Am 30. Mai kehrte wieder Ruhe an den Märkten ein, nachdem sich die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und die Lega Nord (LN) auf eine Regierung einigten, die auch der italienische Staatspräsident akzeptierte. Es musste diese noch nie dagewesene politische Situation entstehen, mit dem Höchstrisiko des Schwindens des europäischen Zusammenhalts, damit die
Märkte den Faktor Politik wieder einbeziehen. Trotz seiner Stärke hatte das politische Beben nur relativ begrenzte Auswirkungen auf die Aktienmärkte und keinen merklichen Einfluss auf den Euro, obwohl zeitgleich der spanische Premierminister das Vertrauen seines Parlaments verlor. Die europäischen
Märkte haben sich letztlich wieder erholt, der Euro konnte zum Dollar auf 1,16 aufwerten und die Anleihenmärkte haben sich entspannt.
Diese Fähigkeit der Märkte, den Schock mit dem Wohlwollen der EZB im Rücken abzufedern, bedeutet jedoch nicht, dass das Risiko gebannt wäre. Der Kern des Problems besteht in Italiens schwachem Wachstum bei gleichzeitig hoher Staatsverschuldung (132 % des BIP). Italien ist zwar nicht
Griechenland im Jahr 2012, doch eine Regierung aus zwei Parteien von den Rändern des politischen Spektrums mit gegensätzlichen Überzeugungen lässt weder auf Stabilität noch auf den Wandel hoffen, der zur Überwindung der erkannten Schwächen des Landes wie etwa seiner mangelnden
Reformfähigkeit nötig ist. Die Umsetzung des vorgeschlagenen „gemeinsamen Programms“ der neuen italienischen Regierung würde Italien 6 bis 7 % seines BIP kosten und wenngleich der Primärüberschuss (1,7 % des BIP) einen gewissen Spielraum erlaubt, sind die Möglichkeiten für eine Konjunkturbelebung über Steuersenkungen begrenzt. Die mangelnde Flexibilität der italienischen Wirtschaft belastet die Produktivität, das Bankensystem ist noch immer angeschlagen, und nur wenige Familienunternehmen erreichen die kritische Größe, um für Investoren interessant zu sein.
Italienische Aktien machen rund 7 % des Eurostoxx300 aus. Die italienische Aktienlandschaft ist hauptsächlich von Banken sowie von Unternehmen mit Fokus auf internationale Märkte geprägt.
Diese beiden Segmente korrelierten in der Phase des wiedergewonnenen Wachstums des Euroraums, der mit dem Aufschwung zu Jahresbeginn einherging. Vorerst bleiben wir, trotz der Aussicht auf technische Erholung, italienischen Banken gegenüber vorsichtig, da diesen jede weitere politische Krise erneut zusetzen würde. An unserer konstruktiven Sichtweise bezüglich Unternehmen mit internationaler Ausrichtung halten wir fest. Diesen kommen ihre niedrigeren Bewertungen sowie die Euro-Dollar-Parität zugute. Italienische Mittelständler dürften durch den PIR (individueller Sparplan) Aufwind erfahren.
Für den Euroraum dürfte auch weiterhin mit einer politischen Risikoprämie zu rechnen sein. Obwohl uns das Gewinnwachstum der Unternehmen nach wie vor ermutigt, auf Jahressicht zu kaufen, werden wir in den kommenden Wochen in diesem Markt angesichts der ungünstigen Entwicklung der jüngsten Statistiken für den Euroraum und des politischen Risikos vorsichtig bleiben.